Der Euro eröffnet heute gegenüber dem USD bei 1,1145 (06:08 Uhr), nachdem der Tiefstkurs der letzten 24 Handelsstunden bei 1,1014 im europäischen Geschäft markiert wurde: Der USD stellt sich gegenüber dem JPY auf 138,50. In der Folge notiert EUR-JPY bei 154,35. EUR-CHF oszilliert bei 0,9646.

Märkte: US-Inflationsrückgang forciert freundliche Marktverfassung

Die Finanzmärkte zeigten sich in den letzten 24 Handelsstunden in freundlicher Verfassung. Auslöser waren die US-Verbraucherpreise, die im Berichtsmonat Juni im Jahresvergleich nur noch um 3% (Kernrate 4,8%) stiegen. Es war der geringste Anstieg der Gesamtrate seit März 2021.

Neben diesen Daten wirkten sich Einlassungen seitens EZB-Vertretern ebenfalls unterstützend aus. Kroatiens Notenbankchef Vujcic (EZB) betonte, die Risiken für den Inflationsausblick seien ausbalancierter. Er erwartet keine klare Ankündigung, wo der Zinsgipfel liegen würde. Das Ergebnis der Septembersitzung sei sehr offen. EZB-Chefvolkswirt Lane betonte, dass die Serie der Zinserhöhungen erst im kommenden Jahr ihre vollen Wirkungen entfalten werde. Beide Einlassungen implizieren für den Zinserhöhungszyklus der EZB ein früheres Ende als noch vor einer Woche seitens des Finanzmarktes antizipiert.

Neben geldpolitischen Aspekten tut sich etwas in der geopolitischen Arena. Derzeit werden die diplomatischen Kanäle verstärkt genutzt. In diesem Kontext werden heute US-Außenminister Blinken und Chinas Spitzendiplomat Wang Yi auf dem ASEAN-Treffen in Jakarta diplomatische Konsultationen führen. Das Ergebnis des Nato-Gipfels liefert durchaus Grundlagen für eine diplomatische Offensive, um die geopolitischen Spannungen einzuhegen. Sollte es perspektivisch zu Entspannungen kommen, wäre das ein ökonomischer "Gamechanger" mit Marktwirkungen. Die Aktienmärkte reüssierten als Folge in den letzten 24 Handelsstunden weltweit. Zunächst dominiert damit an den Aktienmärkten erhöhte Risikobereitschaft.

An den Rentenmärkte führte das entspanntere Inflationsbild in den USA zu Renditerückgängen. Die 10-jährige Bundesanleihe rentiert heute früh mit 2,54% (Vortag 2,64%), die 10-jährigen US- Staatstitel werfen eine Rendite in Höhe von 3,86% (Vortag 3,97%) ab.

Der USD stand unter Druck. Der Euro konnte die Marke von 1,11 überbieten. Mit diesem Ausbruch aus der Bandbreite eröffnet sich aus technischer Sicht weiteres Aufwärtspotenzial. Der Devisenmarkt diskontierte US-CPI-Daten, hat er auch die EZB-Einlassungen diskontiert? Gold und insbesondere Silber (+4%) legten gegenüber dem USD deutlich zu.

USA: Größter Kunde der deutschen Exportwirtschaft

Die USA bleiben der mit Abstand wichtigste Abnehmer von Waren "Made in Germany". Von Januar bis Mai stiegen die Exporte in die USA laut Statistischem Bundesamt um 7,0% im Vergleich zum Vorjahreszeitraum auf 64,3 Mrd. EUR.

In diesem Zeitraum lagen die gesamten Exporte Deutschlands bei circa 659 Mrd. EUR. Hier kam es zu einer Zunahme um 3,5%. Der US-Anteil an den Gesamtexporten beträgt 9,8%. Frankreich folgt mit 7,6% vor den Niederlanden mit 7,3% und China mit 6,2%.

Kommentar: Wir freuen uns über die Exporterfolge Deutschlands. Bei Deindustrialisierung wird es nicht so bleiben. Sind Teile des Erfolgs schon Exporte unserer Industriestruktur in die USA dank WTO-widriger Subventionierung durch das IRA-Programm? Dann wären die aktuellen Anstiege übrigens Einmaleffekte.

Ich habe bewusst die Form der Darstellung aus den Medien übernommen, die USA vor Frankreich und den Niederlanden.

Nun sind Frankreich und die Niederlande, die zusammen einen Exportanteil von 14,9% aufweisen, im Vergleich zu den USA kleine Länder. Werfen wir einen Blick auf Fakten per 2022:

 

Folgende Interpretation ist angemessen. Deutschlands Exportabhängigkeit von Resteuropa ist massiv, dagegen verblasst der Anteil der USA, noch mehr der Chinas.

Genießen wir die Zeit, in der diese Exportstruktur noch intakt ist. Die Risiken für unsere Exportstruktur sind historisch hoch. Politische Ignoranz kann uns teuer zu stehen kommen.

Deutschland: Lindner will Steuerentlastungen für Mittelstand

Finanzminister Lindner will wegen der schwachen Wirtschaftsentwicklung Unternehmen steuerliche Entlastungen gewähren. Mit dem Wachstumschancengesetz plant er, Deutschland, das unter anderem wegen hoher Energiepreise und viel Bürokratie an Attraktivität verloren hat, wettbewerbsfähiger zu machen. Insgesamt seien circa 50 steuerpolitische Maßnahmen geplant, vor allem zugunsten mittelständischer Betriebe. Aus dem Umfeld des Ministeriums verlautet, es gehe um eine Entlastung im Volumen von circa 6 Mrd. EUR pro Jahr. Die Haltungen der SPD und Grünen seien unklar.

Kommentar: Dass man sich Gedanken macht ist positiv. Dass die SPD und die Grünen nicht im Boot sind, ist kritisch. 6 Mrd. EUR sind überschaubar angesichts des gegebenen Strukturproblems. Wer in der Politik billigend durch eigene Hand diese Strukturrisiken etablierte (smarte Protagonisten warnten sehr zeitig, danke für "Nichts"), muss unter Umständen jetzt klotzen und nicht kleckern, um die Situation einzufangen. Es ist höchste Zeit.

Deutschland: Exkurs energieintensive Industrien

Ich bedanke mich bei Achim Dübel für den Hinweis zu diesem Thema und die dazu passenden Charts vom Statistischen Bundesamt und vom VCI.

Hinsichtlich der "Bemühungen" unseres Wirtschaftsministers, jetzt das Thema der Strukturerhaltung wenigstens in zarten Ansätzen ernst zu nehmen, bieten nachfolgende Charts Ausrufeszeichen bezüglich der begonnenen Notlage wesentlichster Teile unserer tragenden Industriestruktur. Das Risiko, dass Dominoeffekte bei der Verlagerung von Produktionsstätten erfolgen, wenn unser Wirtschaftscluster an Effizienz verliert, ist hoch. Werden warnende Stimmen erneut im Rahmen "politischer Korrektheit" laut überhört?

Fakt ist, dass Deutschland der energieintensivste Industriestandort des Westens ist, weil wir auf höchstem Niveau veredeln. Das war und ist unser Geschäftsmodell.

Dieser energieintensive Sektor steht unter markanten Druck. Der Druck begann zeitgleich mit der Ukraine-Krise, wie nachfolgender Chart belegt. Der Chart geht bis 2015 zurück. Aktuell bewegen wir uns bei der Produktion im energieintensiven Sektor unterhalb des Niveaus des Corona-Schocks mit der damit einhergehenden politisch verordneten Rezession.

Fazit: Jeder Tag, der auf politischer Ebene durch fortgesetzte Ignoranz verloren geht, ist verbunden mit weiteren strukturellen Verlusten im deutschen Wirtschaftsmodell.

 

Der spezifische Blick auf die Chemie- und Pharmabranche, zwei Schlüsselbranchen Deutschlands, unterstreicht das Problem. Auch hier ist augenfällig, dass mit dem Beginn der Ukraine-Krise der Einbruch begann.

 

Fazit: Die normative Kraft des Faktischen weicht keinen Narrativen, seien sie auch noch so komplex und übergreifend angelegt als auch medial unterstützt.

Datenpotpourri der letzten 24 Handelsstunden:

Zuletzt wurden hier vermehrt Wirtschaftsdaten des Globalen Südens präsentiert, um der im Westen dominanten asymmetrischen Wahrnehmung des "Westens als dem Nabel der Welt" entgegenzuwirken, denn der sind wir nicht mehr. Auch die hier heute präsentierten Daten des Globalen Südens überzeugen und verdeutlichen die divergenten Entwicklungen zu Lasten des Westens, insbesondere zu Lasten Deutschlands. Latente und provokante Ignoranz gegenüber Fakten tut weder verantwortungsvollen Managern noch Politkern gut. "Food for thought!"

Eurozone: Iberische Halbinsel hat keine "deutschen" Inflationsprobleme

Spanien: Gemäß finaler Berechnung legten die Verbraucherpreise im Jahresvergleich per Juni um 1,9% zu (Vormonat 3,2%). Es war der geringste Anstieg seit März 2021.

Portugal: Laut finaler Erfassung nahmen die Verbraucherpreise per Juni im Jahresvergleich um 3,4% nach zuvor 5,7% zu.

Kommentar: Die iberische Halbinsel hat kein "deutsches" Inflationsproblem (6,4%).

USA: Verbraucherpreise (J) bei nur 3%!

Verbraucherpreise nahmen im Monatsvergleich um 0,2% (Prognose 0,3%, Vormonat 0,1%) und im Jahresvergleich um 3,0% (Prognose 3,1%, geringster Anstieg seit 03/2021) nach 4,0% zu. Die Kernrate stieg im Monatsvergleich um 0,2% (Prognose 0,3%, Vormonat 0,4%) und im Jahresvergleich um 4,8% (Prognose 5,0%, Vormonat 5,3%, geringster Anstieg seit 10/2021). Der von der MBA ermittelte Hypothekenmarktindex stellte sich in der Berichtswoche per 7. Juli 2023 auf 208,4 nach zuvor 206,5 Zähler. Das Niveau ist historisch betrachtet prekär.

China: Handelsbilanzüberschuss höher, aber unterhalb Prognose

Die Handelsbilanz wies per Juni einen Überschuss in Höhe von 70,62 Mrd. USD (P. 74,80 Mrd. USD) nach 65,81 Mrd. USD aus. Exporte sanken im Jahresvergleich um 12,4% (P. -9,5%), während Importe um 6,8% (P. -4,0%) zurückgingen (auch Preiseffekte).

Russland: Steigender Handelsbilanzüberschuss

Die Handelsbilanz wies per Berichtsmonat Mai einen Überschuss in Höhe von 10,42 Mrd. USD nach zuvor 7,27 Mrd. USD aus. Die Verbraucherpreise stiegen per Juni im Jahresvergleich um 3,2% (Prognose 3,3%, VM 2,5%).

Indien: Inflation und Industrieproduktion höher als erwartet

Die Verbraucherpreise stiegen per Juni im Jahresvergleich um 4,81% (Prognose 4,58%) nach nzuvor 4,31% (revidiert von 4,25%). Die Industrieproduktion legte per Mai im Jahresvergleich um 5,2% (Prognose 4,8%) nach zuvor 4,2% zu.

Brasilien: Dienstleistungssektor gewinnt an Dynamik

Der Dienstleistungssektor verzeichnete per Mai einen Anstieg im Jahresvergleich um 4,7% (Prognose 3,8%) nach 2,7%.

Derzeit ergibt sich für den EUR gegenüber dem USD eine positive Tendenz. Ein Unterschreiten der Unterstützung bei 1,0820 – 1,0850 negiert dieses Szenario.

Viel Erfolg!

 

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