Energiepreise sind gewohnt schwankungsfreudig. Über den Transport und die Heizung der heimischen Wohnung sowie über die Produktionsprozesse in der Wirtschaft wirken sich Veränderungen der Kosten für Öl, Gas & Co. mehr oder weniger direkt auf die Preisentwicklung vieler Güter aus. 

Zu unterscheiden ist jedoch zwischen den Preisen an den Terminmärkten, auf die in den Nachrichten oft Bezug genommen wird, und zwischen den Preisen der Endverbraucher. Ein gutes Beispiel sind die Strom- und Gaspreise, wo allein durch die Struktur bestehender Lieferverträge ein Puffer gegen den direkten Einfluss der Rohstoffpreise besteht. 

Auch wenn es angesichts der enormen Kostensteigerungen der Haushalte und Unternehmen schwer zu schlucken sein mag, den Anstieg der Gas- und Strompreise an den Märkten haben die Verbraucher teilweise nicht einmal annähernd mitgemacht. Gleiches gilt nun im umgekehrten Fall, wenn diese Preise an den Börsen zurückgehen. Auch hier greift der genannte Puffer. Der viel zitierte Basiseffekt, auf den viele Inflationsprognostiker ihre Hoffnung setzen, existiert natürlich. Sein Effekt für die Verbraucher dürfte jedoch überschaubar sein.

Interessanter und für die Bürger langfristig bedeutsamer ist die in Gang kommende Spirale aus steigenden Preisen, höheren Gehaltsforderungen und steigenden Staatsausgaben. Vor allem im Falle eines Abschwungs dürften auch die restlichen Hemmungen hinsichtlich der Haushaltspolitik fallen. 

Bei den Kommunen ist in finanzieller Hinsicht ohnehin schon weitgehend Hopfen und Malz verloren. Nicht wenige Städte finanzieren sich schon seit Jahren nur noch über Kassenkredite, was nach dem Ende der Negativzinsen zusehends schwieriger und teurer wird. Da der Anteil der Steuergelder, der von der Regierung in rein konsumtive Dinge gepumpt wird, zunimmt, wirken diese Ausgaben inflationär und tragen zugleich in keiner Weise zu einer Verbesserung der Zukunftsaussichten bei, wie dies beispielsweise bei der Finanzierung einer vernünftigen Infrastruktur der Fall wäre. Das ist Politik aus dem imaginären Lehrbuch „Wie ich die Inflation dauerhaft in Gang halte und dabei möglichst keinen Nutzen schaffe“.

Manche Prognostiker, die vielen vor allem aufgrund ihrer verlässlichen Fehlprognosen in Erinnerung bleiben dürften, sahen vor nicht allzu langer Zeit sogar in der Inflation etwas Gutes. Aber wenn es gegen „klimaschädigendes Verhalten“ geht, ist ja alles erlaubt, koste es was es wolle.

 

Zu diesen bösen Verhaltensweisen gehört bekanntermaßen mittlerweile auch das Atmen, sodass man derartiges Geschwafel nicht allzu ernst nehmen sollte. Ernst nehmen hingegen sollten die Entscheider lieber die Inflation. Zwar zeigt sich bei den Energiepreisen eine Beruhigung, die der folgenden Grafik zu entnehmen ist.

 

Jedoch ist, entgegen einem immer noch weit verbreitetem Missverständnis, eine rückläufige Inflationsrate nicht gleichbedeutend mit sinkenden Preisen. Verdoppelt sich ein Preis und verharrt dann über ein Jahr auf diesem Niveau, dann sinkt die Preisänderungsrate auf null. Der Konsument zahlt aber über den gesamten Zeitraum den verdoppelten Preis. Der Effekt der Inflation ist daher kein temporärer. Im Gegenteil, es ist ein Effekt, der sich über die gesamte Zukunft auswirkt, solange die Preise nicht wirklich fallen. Steigen die Preise mit sinkender Inflationsrate weiter, so kumulieren sich die Kaufkraftverluste. 

Die Menschen haben oft ein wesentlich realistischeres Bild vom Kaufkraftverlust als die Bewohner des Elfenbeinturms. Jeder weiß grob, was er an der Zapfsäule im Monat bezahlt und jeder weiß, was der wöchentliche Einkauf im Mittel kostet. Die folgenden Grafiken zum weiterhin nicht nachlassenden Aufwärtsdruck bei den Lebensmitteln spiegeln das wider, was die Menschen im Supermarkt sehen, unabhängig davon ob der Butterpreis fällt oder nicht.

 

Steigende Preise als gut zu klassifizieren zeigt schon ein perfides Denken und den elitären Habitus desjenigen, der sich alles leisten kann. Aus solchen Blasen kommen auch regelmäßig gute Hinweise. „Sie sind pleite? Ach, dann kaufen Sie sich doch eine Solaranlage, dann zahlen Sie monatlich weniger für den Strom“. Ein wundervoller Tipp, und so praxisnah.

Unter dem Druck der Realität ändern sich manchmal auch die Weissagungen der Auguren im Zeitverlauf. Sah mancher noch vor kurzem sogar noch positive Aspekte der Inflation, so lässt man heute verlautbaren, der Wohlstandsverlust bereite Sorgen. Ob das auch für den „guten“ Wohlstandverlust gilt? Da Inflation immer einen Wohlstandsverlust bedeutet sind solche Richtungswechsel durchaus unterhaltsam aber natürlich genauso wissenschaftlich fundiert wie die gequirlten Quarks vom WDR.

 

Woher es wohl kommen mag, dass viele Bürger mittlerweile eher von richtigen Prognosen so genannter Experten überrascht sind als von falschen? Aber immerhin ist das Wetter in 300 Jahren gut prognostizierbar. Einfach nur fest genug dran glauben, immer schön verzichten während man noch ein paar finanzielle Belastungen mehr schultert und vor allem bitte auf jeden Fall solidarisch den Schnabel halten. Die Prognosen der Schamanen anzuzweifeln ist kein Kavaliersdelikt!

Selbst ein moderater Kaufkraftverlust kann über wenige Jahren zu dramatischen Effekten führen, die nicht nur die laufenden Einkünfte betreffen, sondern auch die Kaufkraft des Vermögens. Wenn dieses Vermögen nominal um 5 % zulegt, die Kaufkraft aber um mehr als 5% sinkt, dann sind die Menschen nicht reicher, sondern ärmer geworden. Die Inflation ist somit nicht nur eine reale Gehaltskürzung, sondern auch eine rückwirkende Steuer auf alles, was die Bürger bisher angespart haben. Daran gibt es nichts schönzureden. Die vermeintlich „gute Inflation“ ist ein Mythos, der lediglich dazu dient, die Folgen politischen Unwillens und politischer Unfähigkeit zu rechtfertigen.

„Was heißt das für mich konkret!?“

Die Inflation ist ein strukturelles Problem, deren Aufflammen schon in 2021 gut sichtbar war und deren Zähigkeit noch viele überraschen wird. Die derzeitige Phase der Lohn- und Gehaltsrunden nach dem deutlichen Kaufkraftverlust der letzten Jahre ist die zweite Stufe, aber wohl nicht die letzte. Dabei geht es gar nicht um eine stets steigende oder gar extreme Inflation, sondern vielmehr um einen dauerhaft deutlich erhöhten Kaufkraftverlust. Was einmal futsch ist, bleibt futsch.

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