Nach wie vor bestimmen die Diskussionen über die Zukunftsaussichten an den Rohöl- und Gasmärkten die Gemüter an den internationalen Finanzmärkten. Dabei fällt auf, dass die meisten der an den globalen Energiemärkten zu beobachtenden Probleme in vielerlei Hinsicht hausgemacht sind.

Bereits über den Verlauf der vergangenen Dekade haben Europa und – mit Ausnahme der Trump-Administration – auch die Vereinigten Staaten von Amerika ihre Pläne konkretisiert, um deren Abhängigkeit von fossilen Brennstoffen zu reduzieren.

Sand im Getriebe der Transformation

Das Schlagwort ESG ist in diesem Zuge inzwischen zu einer Art Modewort für angedachte Veränderungen im Transport-, Logistik-, Verschiffungs-, Handels- und Wirtschaftsbereich geworden, das den sich intensivierenden Anstrengungen in Bezug auf eine Transformation der traditionellen Industrieländer hin zu grün-alternativen Energieformen Ausdruck verleiht.

Längst schon ist hieraus auch ein an Fahrt aufnehmender Investitionstrend geworden. Das linkspolitische Spektrum hat sich dieses Trends bedient, um Kritiker und Abweichler die eigenen Unzulänglichkeiten und Rückwärtsgewandtheit vorzuwerfen und diesen Trend in Form einer Art Peitsche gegen alle Abweichler vom eigens vertretenen Kurs zu benutzen.

Letzten Endes scheint es um nichts anderes als um eine Durchsetzung der eigenen Zielsetzungen zu gehen, koste es, was es wolle. Es verwundert in diesem Zusammenhang kaum, dass selbst qualitativ hochwertige Argumente unter den ideologischen Befürwortern auf taube Ohren stoßen.

Globale Energiekrise weitet sich aus

Das für jedermann sichtbare Resultat lässt sich anhand der größten globalen Energiekrise seit vielen Jahrzehnten ablesen. War vor dem Ausbruch der Finanzkrise, die zwischen den Jahren 2007 und 2009 ihren Höhepunkt erreicht hatte, wiederholt von „Peak Oil“ die Rede, heißt also einer These, die vor einem baldigen Versiegen der weltweiten Ölquellen warnt, so zeigt sich, dass sich die Angebotsknappheit aus heutiger Sicht auf andere Gründe zurückführen lässt.

Denn Gelder und Kredite zur Erforschung und Entwicklung von neuen Öl- und Gasquellen sind im aktuellen Umfeld immer schwieriger oder unter erhöhtem Aufwand zu erhalten, da sich inzwischen auch viele Banken und Finanzinstitute dem ESG-Trend angeschlossen haben.

Gleichzeitig haben viele Unternehmen in dieser Branche ihre Investitionen über den Verlauf der vergangenen Jahre teils deutlich zurückgefahren. In den Vereinigten Staaten konzentriert sich die Öl- und Frackinggas-Industrie jetzt schon seit einiger Zeit verstärkt auf die eigene Profitabilität auf Kosten einer Erschließung von neuen Energiequellen.

Nach vielen Jahren der Verluste stimmen die Anteilseigner dieser Unternehmen diesem Kurs zu, weil die Dividenden nun endlich sprudeln. Auch die im Januar 2021 ins Amt eingeführte Administration von Präsident Joe Biden hat ihren Beitrag zu einer sich verschärfenden Lage an den Ölmärkten geleistet.

Warnungen werden ignoriert

Nicht nur der Weiterbau der Pipeline Keystone XL wurde durch das Weiße Haus abgesagt, sondern auch einer Erteilung von neuen Lizenzen für Ölbohrungen auf staatseigenem Land wurde eine temporäre Absage erteilt.

Saudi Arabiens Energie- und Ölminister Prinz Abdulaziz bin Salman hatte bereits zu Beginn dieses Jahres davor gewarnt, dass unzureichende Investitionen im Öl- und Gassektor zu einem Bumerang-Effekt unter den Verbrauchern führen würden.

Auch eine Reihe von anderen hochrangigen Offiziellen der Organisation Erdöl exportierender Nationen (OPEC) schlug im Verlauf der vergangenen Wochen und Monate in dieselbe Kerbe – ohne sich dabei Gehör zu verschaffen.

Um der aktuellen Situation die Krone aufzusetzen, hatte die Internationale Energieagentur im vergangenen Jahr mitgeteilt, dass die Welt auf neue Öl- und Gasexplorationen zu verzichten in der Lage sei, weil kein höheres Angebot an den Öl- und Gasmärkten benötigt würde.

Diese Sichtweise hatte allerdings nur eine Halbwertzeit von wenigen Monaten, da neben dem Weißen Haus auch die Internationale Energieagentur inzwischen mehrfach zu einer Erhöhung der Erdölproduktion in den OPEC-Staaten aufgerufen hat.

Aus Perspektive der Energiemärkte zeichnet sich hingegen immer klarer die Tatsache am Horizont ab, dass sich ein vor Jahren eingeleiteter Trend nicht einfach über Nacht oder im Zuge von nur wenigen Monaten wieder umkehren oder ins Gegenteil verwandeln lässt.

Westliche Sanktionen haben Öl in ein bereits loderndes Feuer gegossen

Parallel zu dieser Situation haben die gegenüber der Russischen Föderation verhängten Sanktionen des Westens zu zusätzlichen Tumulten an den internationalen Energie- und Ölmärkten geführt.

Diese Sanktionen wirken nicht nur preistreibend, sondern mittlerweile ist die Ölproduktion in der Russischen Föderation, welche als Mitglied der OPEC+ angeschlossen ist, über die letzten Monate um gut neun Millionen Fass pro Tag gesunken.

Der globalen Ölversorgungslage tut diese Entwicklung selbstverständlich alles andere als gut, zumal jüngst selbst Deutschlands Wirtschaftsminister Robert Habeck öffentlich zugab, dass die sinkende Rohölproduktion in Russland keinen Einfluss auf die Einnahmen der Moskauer Regierung gezeigt habe, weil die Ölpreise gleichzeitig stark angestiegen sind.

Erdölexploration erweist sich zurzeit weltweit als nicht sehr ergiebig

In einem Bericht von Bloomberg wurde zuletzt auf eine sich verschlechternde Situation in der weltweiten Erdölexploration aufmerksam gemacht. Danach hätten sich drei mit zuvor großen Hoffnungen verbundene Bohrungen durch den Ölriesen Shell vor der brasilianischen Küste als absolute Flops erwiesen.

Immerhin hatte Shell über eine Milliarde US-Dollar mit den damit assoziierten Bohrrechten an die brasilianische Regierung überwiesen, um nach drei Jahren der erfolglosen Bohrungen festzustellen, nun mit leeren Händen dazustehen.

Shells Konkurrenten Exxon ist es nicht anders gegangen. Ehedem 1,6 Milliarden US-Dollar für Bohrrechte ausgebend, ist es dem Konzern ebenso wenig gelungen, signifikante Ölreserven im eigens bearbeiteten Block anzuzapfen beziehungsweise aus diesem zu fördern.

Einmal mehr zeigt sich anhand dieser Entwicklung, dass die Öl- und Gasexploration ein riskantes Geschäft ist. Das gilt insbesondere für Offshore-Projekte wie vor der brasilianischen Küste, die noch unlängst durch Experten als neue Hotspots und höchst ergiebige Quellen in der Erdölförderung angepriesen worden sind.

Ähnlich wie im Fall Brasiliens könnte auch aus Sicht von ähnlichen Projekten vor der Küste Guyanas die Erkenntnis wachsen, dass die ergiebigsten Quellen vielleicht schon vor langer Zeit gefunden und exploriert worden sind.

Große Entdeckungen hat es über den Verlauf der vergangenen Jahre ohnehin nur ziemlich wenige gegeben, während die Kosten in der gesamten Branche teils deutlich geklettert sind. Allein in Amerikas Schieferöl- und Frackinggas-Industrie sind diese Kosten in den letzten Jahren um zwanzig Prozent gestiegen.

Und so verwundert es auch nicht, dass zwei der größten Unternehmen in diesem Bereich, namentlich Continental Resources und Hess Corporation, kürzlich vor weiter steigenden Kosten gewarnt hatten.

Stark steigende Kosten in der Erdöl- und Gasindustrie

Auch ein Grund hierfür sind vor allem die kletternden Kosten für Bedarfsgüter und einzelne Vorprodukte in der Öl- und Gasindustrie. So besteht momentan Knappheit im Holz-, Zement-, Sand- und Stahlbereich. Stahlröhren zur Errichtung von Bohrtürmen sind zum Beispiel gerade ebenfalls knapp.

Auch die Arbeitskosten sind in der Öl- und Gasindustrie zuletzt deutlich gestiegen, wodurch sich die allgemeinen Produktionskosten steigern. Auch die mit vorherigen Covid-Lockdowns assoziierten Lieferkettenprobleme sind bislang in vielen Bereichen nicht abgeebbt.

In der amerikanischen Öl- und Gasindustrie wird in den nächsten Monaten nicht mit einer sich verändernden Situation gerechnet, wie die Firma Argus kürzlich unter Bezugnahme auf Manager in der Industrie berichtete.

Da die Washingtoner Regierung ihren ganz eigenen Beitrag geleistet hat, um Produzenten in den USA von einer Steigerung ihrer Investitionen abzubringen, stellt sich die Frage, wo – angesichts einer zusätzlichen Flutung der Rohölmärkte mittels eines Teils der strategischen Ölreserven des Landes – die Vorräte herkommen sollen, um für die bevorstehende Sommer-Reisesaison gerüstet zu sein.

Eine erneute Freigabe von strategischen Rohölreserven durch die Biden-Administration hat an den internationalen Erdölmärkten zudem bislang noch nicht einmal zu einem Wimpernzucken geführt. Nach wie vor bewegen sich die beiden wichtigsten Ölsorten WTI und Brent um einen Preis von 110 US-Dollar pro Fass.

Trotz der weltweit äußerst angespannten Lage schwebt nach wie vor das Damoklesschwert eines potenziell gegenüber der Russischen Föderation durch die Europäische Union zu verhängenden Ölimportembargos über den internationalen Energiemärkten.

Die geopolitische Komponente, die momentan in die Rohölpreise eskomptiert ist, könnte sich aus diesem Blickwinkel als zu gering erweisen, falls es tatsächlich zu einer Einigung unter den EU-Mitgliedsstaaten samt der Bekanntgabe hinsichtlich eines solchen Embargos kommen sollte.

EU-Ölimportembargo würde die Ölpreise in die Höhe katapultieren

An diesem speziellen Tag könnten die Rohölpreise erneut durch die Decke schießen, um in einem ersten Schritt in Richtung der Marke von 150 US-Dollar zu klettern. Parallel zu dieser Situation zeichnet sich bislang nicht ab, als würde es in den Verhandlungen zwischen den USA und dem Iran in Sachen einer Rückkehr zum einst im Rahmen der sogenannten Sechsergruppe vereinbarten Atom-Abkommen (JCPOA) mit Teheran zu Fortschritten kommen.

Wenn mittlerweile fast schon wöchentlich Hilferufe und damit verbundene Aufforderungen an die OPEC+ ergehen, die eigene Rohölförderung angesichts der angespannten Weltlage zu auszuweiten, so sind diese Forderungen insbesondere seitens des federführenden Mitglieds der OPEC+, namentlich Saudi-Arabien, zurückgewiesen worden.

Russlands Energieminister Alexander Novak antwortete auf Fragen von Journalisten zuletzt recht pragmatisch im Hinblick auf ein möglicherweise bevorstehendes Ölimportembargo der Europäischen Union.

Dann, so Alexander Novak, müssten die EU-Länder ihr bisher aus Russland geliefertes Rohöl aus anderen Quellen beziehen. Und die Europäer würden in diesem Zuge einen hohen Preis zu zahlen haben, da die internationalen Erdölpreise auf eine solche Bekanntgabe höchst sensibel reagieren und von den aktuellen Niveaus aus weiter steigen würden.

Auch die Verschiffungs-, Fracht- und Lieferkosten würden dann noch einmal um einen nicht zu unterschätzenden Faktor steigen. Parallel zu dieser Entwicklung müsste es zu immensen Investitionen kommen, um eine komplett neue Infrastruktur in diesem Bereich aufzubauen.

Iran fördert, China profitiert

Trotz der ehedem durch die Trump-Administration gegenüber Teheran wieder eingeführten Sanktionen hat es der Iran in den letzten Jahren geschafft, seine Erdölförderung auszuweiten. Doch fast alle Ölexporte des Irans werden inzwischen exklusiv nach China verschifft.

Während die Volksrepublik China von dieser Situation hochgradig profitiert, schaut der Rest der Welt sprichwörtlich in die Röhre. Mehrfach war in internationalen Gazetten in den letzten Wochen darüber berichtet worden, dass US-Präsident Joe Biden ein persönliches Treffen mit dem saudischen Kronprinzen Mohammed bin Salman anstrebe.

Doch bislang hat Mohammed bin Salman den amerikanischen Präsidenten bei jeder sich nur bietenden Gelegenheit auflaufen lassen, um ein solches Ersuchen zu negieren. Momentan scheint zwischen Amerikanern und Saudis nur noch ein kommunikatives Band über König Salman zu verlaufen, was an der vorherrschenden Situation bisher jedoch nichts geändert hat.

Diese Zusammenfassung für CK*Wirtschaftsfacts von Roman Baudzus nimmt Bezug auf einen Bericht auf der Seite von oilprice.com

„Was heißt das für mich konkret!?“ (Roman Baudzus)

Es wird abzuwarten bleiben, zu welchen Schritten sich die BRICS-Nationen, einschließlich Chinas und Russlands, hinsichtlich des Aufbaus eines neuen Geld- und Finanzsystems auf dem Eurasischen Kontinent samt eines sich intensivierenden De-Dollarisierungs-Prozesses, entscheiden werden.

Inwieweit sich die vor einigen Wochen durch das Wall Street Journal vermeldete Botschaft, wonach Saudi-Arabien sich dazu bereit zeigen könnte, an die Volksrepublik China zu lieferndes Erdöl zukünftig auf Basis des Yuans abzurechnen, in diese Gesamtsituation einpassen könnte, bleibt zunächst abzuwarten.

Doch wenn Fed-Chef Jerome Powell höchst persönlich im Rahmen einer Kongressanhörung offen eingestanden hat, dass es neben dem US-Dollar in der Zukunft zusätzliche Weltreservewährungen geben könnte, so lässt sich lebhaft vorstellen, zu welchen Abläufen und Entwicklungen es hinter den Kulissen gerade zu kommen scheint.

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